Im Jahr 1983 wurde in 100%iger Selbsthilfe mit Studenten und arbeitslosen Jugendlichen sowie mit den Mitgliedern des Stuttgarter Jugendhaus Wangen e.V. in Stuttgart ein Jugendhaus realisiert. Als Geld wurden ausschließlich Spenden verwendet. Für insgesamt ca. 500.000,– DM entstand ein Haus, das mit Handwerkern, wenn überhaupt dann zu dem ca. vierfachen Preis realisierbar gewesen wäre.
Gemeinsam wurde von den Arbeitern, Jugendlichen und unseren Studenten für das Jugendhaus der Titel „Die Burg“ gefunden als Ort für Geborgenheit, Sicherheit, Selbstständigkeit usw. Um einen gemauerten Kern, der als fiktive Ruine gedacht war, entwickelte sich die Freiheit des Hauses in Form von hölzernen Anbauten wie die Blätter einer Sonnenblume um ihren Fruchtstand. Trotz einer strengen Ordnung konnte eine große Freiheit erreicht werden, die sich über viele Jahre hinweg auch bei späteren Erweiterungen unter dem Architekten Wolfgang Zaumseil bewährte.
Das erstaunlichste am Jugendhaus Wangen ist, dass das eigene Bauen durch arbeitslose Problemjugendliche diese in ganz nachhaltiger Weise auf eine Integration in die normale Gesellschaft vorbereitet hat. Bauen als sozialer Prozess nicht nur für die Gemeinschaft sondern auch für die Entwicklung des Einzelnen wirkte hier nachhaltig.
Das Jugendhaus steht auf einem ungünstigen, dreieckigen Grundstück neben einem städtischen Lagerhaus, westlich von der Bundesstraße 10. Seine fest geschlossene Ostseite ist zur Bundesstraße gerichtet, während der Bau sich nach Süden, Westen und Nord-Westen öffnet. Die Dächer erheben sich windmühlenartig und gipfeln in einem zentralen Turm, der die gewünschte Assoziation von einer »Burg« weckt und in dem zugleich die offene Wendeltreppe endet, die als vertikale innere Erschließung dient. Die dunkle und laute Disco ist in der Mitte verborgen und nutzt die umgebenden Räume als Lärmschutz; Holz- und Metallwerkstätten liegen in den Seitentrakten und erhöhen den Lärm- und Emissionsschutz von der Bundesstraße für die Freibereiche. Der nach Süden orientierte Wintergarten bildet die gewünschte »Oase« mit mediterranen Pflanzen und dient zugleich als Sonnenkollektor. Davor liegt en Außenbereich, den Jugendhausmitglieder zu einem Garten gestaltet haben, mit einem Teich, der von einem gefliesten Drachen umschlossen wird, welcher auch einen Pizzaofen enthält. Die Haupterschließung erfolgt von Norden durch einen einladenden Eingang unter einem großzügigen Torbogen. »Baumhaus« war ein weiteres Bild aus dem ursprünglichen Brainstorming, daher zentriert sich das Gebäude um einen eingebauten Baumstamm, der die Zwillingsrechtecke von Disco und Bar miteinander verbindet. Er steht direkt neben der Haupttreppe und trägt auf oberster Ebene einen »Stammtisch«. Die Disco hat an der Rückseite einen intimen Alkoven und darüber einen Spielraum, während der Raum der Bar offener gestaltet ist, mit der Theke im Erdgeschoß und einer Reihe von Galerien, die zum Wintergarten hinüberführen. Der Großteil des Gebäudes ist mit Holz verkleidet, nur im Süden wird das Erscheinungsbild durch Wellblech in ähnlicher Profilierung mit glänzender metallischer Oberfläche ergänzt. Dies war für den Brandschutz erforderlich, denn das benachbarte Gebäude diente als Kulissenlager des Staatstheaters. Wegen dieser Gefährdung mussten auch zwischen dem Glashaus und dem übrigen Gebäude Feuerschutztüren eingebaut werden. Die geneigten Flachdächer wurden gedämmt, mit einer Kunststoff-Folie wetterfest abgedichtet und dann über einer Krall-Drän-Matte mit 100 mm Erde bedeckt. Sie konnten so zu Wiesen werden und einen Hauch von Grün in das industriell geprägte Wangen bringen.
fertigstellung 1985
adresse Jugendhaus B10, Eybacherstraße 19, 70327 Stuttgart
bauherr Stuttgarter Jugendhaus e.V.
webseite jugendhaus.net
leistungsphasen 1 – 9
zusammenarbeit Universität Stuttgart, IBK 1
Auszeichnung(Auszeichnung guter Bauten 1987)
baubeginn 1983
Jugendhaus Wangen "die Burg"
plus bauplanung
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