Nur zwei Jahre nach fertigstellung des kleineren Neubaus wurde wieder in einem entsprechenden partizipativen Prozess eine weit größere Schule geplant. Da jeden Herbst eine neue Klasse hinzukam wurden dreizehn neue Klassenräume benötigt, dazu besondere Fachklassen für Kunst- und Werkunterricht. Eine besonders wichtige Forderung war ein größeres Theater, wo die gesamte größer gewordene Schulgemeinschaft sich zu Feiern und Aufführungen versammeln konnte. Dieses Theater wurde zum größten Streitpunkt im Partizipationsverfahren, denn die daran Interessierten spalteten sich in zwei Gruppen. Eine von ihnen favorisierte ein konventionelles Amphitheater nach griechischem Vorbild, während die andere einen weniger festgelegten »Marktplatz« – oder ein Straßentheater – wünschte, eher wie Shakespeares Globe Theatre. Die Lösung war, beide Theater in einem zu realisieren und die Bühne dazwischenzuschalten.
Angesichts der benötigten Zahl von Klassenräumen auf zwei Ebenen erwies sich dies als plausible Lösung. Die offene Halle des »Marktplatzes« bildet einen guten Allzweckraum und den Eingangsbereich; sie schränkt auch den Bereich des verdeckten Korridors ein, der notwendigerweise das geschlossene »griechische« Theater umgibt. Schon bei der Planung des ersten Schulbaus wurde beschlossen, zwischen ihm und dem später zu errichtenden Gebäude einen Innenhof mit gegenüberliegenden Eingängen anzulegen. Dieser abgerundete und auf beiden Seiten zum Schutz mit Stützenreihen versehene Innenhof gibt der großen Schule die Form einer ausgestreckten Hand, deren Daumen parallel zur geraden Straße liegt und deren gekrümmte Finger sich nach Norden zum untersten Bereich des Geländes erstrecken. Dieser Hof bestimmt die Westseite der großen Schule; ihr Eingang liegt in der Nordwestecke und führt an der Cafeteria vorbei zum »Marktplatz« mit anschließender Verwaltung. Bei geöffneter Bühne kann man ganz hindurchsehen auf das dahinterliegende »griechische« Theater. Die Klassenzimmer sind auf zwei Ebenen außen herum angeordnet, und zweiseitig verglast, um den Korridor nicht klaustrophobisch wirken zu lassen. Wie bei Waldorfschulen üblich, bestand auch hier die Forderung, strenge Rechtwinkligkeit zu vermeiden, und die leichten Abweichungen verleihen jedem polygonalen Raum einen anderen Charakter, während sie die Nutzung von Ecken, einen Anbau oder auch eine Niveauverschiebung ermöglichen. Die oberen Klassenräume umgeben auch die unterschiedliche Dachkonstruktion, für die verschiedene konstruktive Prinzipien von den Architekten in Übungen mit den Schülern geprüft wurden. Ein Kunstraum im zweiten Obergeschoß erstreckt sich über den Bühnenbereich und bildet einen angemessenen Abschluss des Ganzen, bietet aber auch mehr Höhe für die passiven Belüftungsschächte zu beiden Seiten der Bühne. Halle, Bühne und Saal des zentralen Auditoriums können gemeinsam oder getrennt genutzt werden, wenn die mobilen Trennwände auf beiden Seiten der Bühne geschlossen werden. Wenn alles geöffnet ist, entsteht ein sehr großer Gemeinschaftsbereich für besondere Gelegenheiten. Lehrer und Eltern übernahmen die Anfertigung von Boden- und Wandmosaiken, Glasfenstern und den Innenanstrich in Lasurtechnik. Außen wurde ein anspruchsvolles Programm der Landschaftsgestaltung zur Wiederentdeckung der Auenlandschaft verwirklicht: mit Spielplätzen, Sportflächen, Lehrgärten und viel ökologischer Bepflanzung.
fertigstellung 1998
adresse Freie Waldorfschule Kirchheim Teck, Fabrikstraße 33 - 35, 73230 Kirchheim u. Teck
bauherr Freie Waldorfschule Kirchheim Teck e.G.
webseite fws-kirchheim.de
leistungsphasen 1 – 9
zusammenarbeit Statik: Roland Riebl
baubeginn 1997
fertigstellung 1998
flaeche NGF ca. 680 m², BRI ca. 3.230m³
baukosten ca. 780.000 € (KG 300-400, brutto)
fertigstellung 2002
flaeche NGF ca. 3.600 m2, BRI ca. 17.600m³
baukosten ca. 4.440.000 € (KG 300-400, brutto)
Waldorfschule Kirchheim Unterstufenbau
plus bauplanung
plus bauplanung gmbh
goethestraße 44
72654 neckartenzlingen
info@plusbauplanung.de
07127 92070